Hinter Fluggastentschädigungsportalen vermutet man typischerweise Legal Tech. Immerhin sind solche Plattformen die Posterboys des digitalen Wandels im Anwaltsgeschäft, der erste wirklich praktische Anwendungsfall für automatisierte Rechtsdienstleistungen. Wenn im Jahr 2017 auf Portalen wie Gründerszene dynamische “Legal Tech”-Entrepreneurs Schau laufen dürfen, dann tummeln sich dort überwiegend Fluggastentschädiger. Unweigerlich drängt sich der Eindruck auf: Zumindest die Fluggastrechte-VO haben diese Start-Upler bereits umfassend in Code übersetzt. Wenn ich also bei Fairplane und Co. meinen Fall in der Eingabemaske schildere, dann läuft die Durchsetzung weitgehend vollautomatisch ab.

So stellt man sich Legal Tech jedenfalls vor. Ein Online-Formular erfasst die einzelfallbezogenen Daten und anschließend fügt der Algorithmus die individuellen Angaben in die Form vorformulierter Textbausteine. Und das Ganze am besten möglichst elegant und feingliedrig, damit die so gefertigten Aufforderungsschreiben und Klageschriften nicht ähnlich unpersönlich wie ein Serienbrief daherkommen, in dem gerade einmal der Adressat ausgewechselt wird. Das Ergebnis ist dann nicht zu unterscheiden vom Dokument eines Anwalts, das er im Schweiße seines Angesichts manuell gefertigt hat – natürlich nicht ohne aus einem früheren gleichgelagerten Verfahren per Strg&C und Strg&V ebenfalls passende Textblöcke herauszuschneiden, individuelle Daten nach Augenmaß umzutragen und dabei am besten noch irgendein Detail aus dem alten Dokument zu übersehen und unverändert zu lassen.

Nicht nur weil einem Algorithmus solche Flüchtigkeitsfehler nicht unterlaufen, gilt Legal Tech (zurecht) als innovativ. Die Verheißung softwarebasierter Rechtsverfolgung besteht darin, sich nicht bloß den Flüchtigkeitsfehler zu sparen, sondern den Anwalt, der ihn begeht, gleich mit. Genau das erwartet man denn auch von den Fluggastentschädigern. Sicher empfiehlt sie anders als den Reiserechtsanwalt bereits ihr schickes Webportal und die zahlreichen Testimonials aus Presse und Rundfunk. Aber irgendwo erwartet man auch ein gewisses Ersparnis anwaltlicher Arbeit(skosten), wenn sich ein Anbieter Legal Tech, Innovation und Automatisierung auf die Fahnen schreibt.

Insofern verwundert es doch ein wenig, wenn beispielsweise in Flightrights Team inzwischen genauso viele Mitarbeiter sitzen wie in einer mittelständischen Kanzlei. Denkbar ist, dass es sich dabei ausnahmslos um Service-Personal, Beschäftigte in der Verwaltung und emsige Legal Engineers handelt, die vornehmlich den Algorithmus weiter verbessern, um noch bessere Schriftsätze automatisch zu fertigen. Dann sei aber die Frage erlaubt: Wieso schafft es kein Fluggastentschädiger, seinen Kunden wenigstens zwei Drittel ihrer Entschädigungssumme auszuzahlen?

Die Ursache mag darin liegen, dass sämtliche Plattformen zwar dank ihres hohen Automatisierungsgrades einen größeren Betrag auskehren könnten, aber trotz des regen Wettbewerbs schlichtweg ihre Gewinnmarge maximieren wollen. Vielleicht fallen die Auszahlungen aber auch nur deswegen so gering aus, weil die Personalkosten nicht mehr zulassen. Das läge jedenfalls nahe, wenn die Sachbearbeiter am anderen Ende der Online-Eingabemasken die ermittelten Daten noch so manuell ihre Schriftsätze einpassen, wie man es aus dem klassischen Kanzleibetrieb kennt. Solche überkommenen Praktiken wollen wir unseren Mitbewerbern natürlich nicht unterstellen. Schließlich ist dieser Teil des Geschäftsbetriebs naturgemäß nicht einsehbar. Er spiegelt sich allenfalls mittelbar in der Höhe der gewährten Entschädigungen wider.

Gleichzeitig wollen wir uns selbst gar nicht dem Verdacht aussetzen, wir überließen unseren Kunden wahlweise wegen erhöhten Profitstrebens oder Personalaufwands nicht den Löwenanteil ihrer Fluggastentschädigung. Deshalb bieten wir höhere Sofortentschädigungen als all unsere Konkurrenten. Möglich wird dies vor allem dadurch, dass wir dank automatisierter Verfahren nur noch in minimalem Umfang auf Anwälte zurückgreifen müssen. Sie werden lediglich eingesetzt, um etwa Gerichtstermine wahrzunehmen und wo sie ansonsten unentbehrlich sind. Und damit nicht genug. Für die Zukunft planen wir, mithilfe zusätzlicher Digitalisierungsmaßnahmen unseren Aufwand pro durchzusetzender Entschädigungsforderung weiter zu senken. Beispielsweise werten wir laufend die Erwiderungen von Airlines auf unsere Schriftsätze aus, analysieren die Antwortmuster. Hierdurch können wir zunehmend die Korrespondenz selbst dort automatisiert und kostensparend gestalten, wo bei der Forderungsdurchsetzung Komplikationen auftreten und komplexere Argumentationen nötig sind. Das Ziel ist bei alledem, Legal Tech in ganz neuem Ausmaß für den Kunden und seine Entschädigung fruchtbar zu machen.